Warum fühlen sich viele Frauen zu Gewaltfantasien hingezogen? Diese Frage stellt sich mir bei den Gedanken an unser bevorstehendes Fest der Sinnlichkeit.
Frauen wird von klein auf erklärt, dass ihr Körper bedeckt gehört. Sobald die erste Blutung einsetzt, wird diese selten gefeiert sondern mit der „Bürde des Frauseins“ gleichgesetzt. Mädchen übernehmen denke ich weit früher als Burschen die Rolle der großen Schwester und müssen Verantwortung übernehmen. Sie lernen früher ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustecken. Eigentlich schon im Kleinkindalter, wenn im Sandkasten von Mädchen früher „soziale Reife“ verlangt wird, wenn es um das Teilen oder Verborgen des Spielzeugs geht. „Buben sind halt so“ – das habe ich von Klein auf gehört. Natürlich gibt es hier biologische Veranlagungen, Instinkte, die in unserem Stammhirn verankert sind und in manchen Situationen auf Autopilot schalten.
Trotzdem denke ich, dass Mädchen noch immer dahingehend gefördert werden, eigene Bedürfnisse zu Wohl der anderen zurückzunehmen. Manche mögen sagen, dass uns Frauen das in die Wiege gelegt ist, um uns auf die Mutterschaft vorzubereiten. Doch Frausein ist weit mehr als Mutterschaft. Das wird so oft vergessen oder verleugnet.
Wenn Mädchen nicht von klein auf lernen ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen, wie sollen sie später ihre Bedürfnisse kennen? Wenn ich mit dem Frauenbild heranwachse, dass Frauen sich zum Wohl der Gesellschaft verbiegen müssen, verlerne ich auf mein Bauchgefühl zu hören. Wer nicht sagen kann und darf: „Nein, das will ich jetzt nicht!“, wird in seinen Bedürfnissen nicht ernst genommen. Die Message ist „Deine Bedürfnisse sind zweitrangig“.
Das bringt mich zurück zu meinem ursprünglichen Gedanken: Sind all dies vielleicht Mitgründe warum sich Frauen nicht in der Liebe hingeben (können)?
Hingeben kann sich nur, wer vertraut und die Kontrolle aufgibt. Ich muss mir selbst vertrauen, dass ich den richtigen Menschen gewählt habe, der mir Gutes tun will. Und mir selbst, dass ich weiß, was mir wohl tut. Dazu muss ich erlebt haben, dass meine Bedürfnisse wertvoll und gleichwürdig sind wie die anderer Menschen. In der Kindheit und von meinem jetzigen Gegenüber.
Leider haben die meisten Frauen in ihrem Leben verletzende, teils gewaltvolle Erfahrungen gemacht. Dadurch ist so viel Angst mit dem Sichhingeben verbunden. Erlebte Verletzungen verbieten es uns, denn wer sich hingibt, ist umso verletzlicher. Diese Angst ist verständlich, in manchen Situationen überlebensnotwendig. Manchmal sind es jedoch Glaubenssätze aus unserer Erziehung oder prägenden Begegnungen, die unser Empfinden beeinflusst haben: „Das tut ein Mädchen nicht“, „Sei doch nicht so!“, „Stell dich nicht so an“. Unser Bauchgefühl, unsere Intuition, wurde von für uns bedeutenden Menschen in Frage gestellt, nicht ernst genommen und wir dadurch verletzt, weil wir nicht angenommen wurden, wie wir sind.
Sind deshalb für viele Frauen gewaltvolle Fantasien ein Weg sich hingeben zu können? Weil meine Erinnerung sagt: „Du darfst dich nicht gehen lassen! Wer weiß, was dann (wieder) passiert?“ Weil meine Erziehung mir gezeigt hat: „Deine Bedürfnisse sind weniger (befriedigens)wert als die von anderen!“ Weil ich glaube, wenn manche Menschen behaupten: „Frauen möchten dominiert werden“ und dies in unseren Medien verbreitet wird? Weil ich in der unterworfenen Position endlich von der Verantwortung befreit bin und loslassen muss?
Ich denke jeder Mensch hat aufgrund seiner Biografie seine eigenen Thesen dazu parat. Und ich halte es für durchaus sinnvoll, die eigenen dunkeln Seiten zu erkunden. Aber die sind nur der Ausgangspunkt.
Die eigentliche Frage ist doch: Will ich mich hingeben?
Und weiter:
Was hindert mich daran?
Was bräuchte ich, um mich hingeben zu können?
Wie würde diese Hingabe aus freien Stücken aussehen?
Was würde ich sehen, riechen, schmecken, tasten, spüren?
Und: Wie möchte ich mich danach fühlen? Wenn ich daran zurück denke, fühle ich mich genährt, gestärkt, geliebt, umarmt?
Hingabe ist etwas Wunderschönes und Nährendes, weil wir so viel Liebe und Stärkung erfahren können.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen hingebungsvollen Frühling.
Herzensgrüße,
Sigrid
Hingabe ist weich
wie die Rosenblüte,
die duftet
und dich lockt
zu mir in meinen Schoß.
Hingabe ist weich
wie das Laken,
das uns bedeckt,
ein wenig,
um endlich überflüssig zu sein.
Hingabe ist weich
wie das Wasser,
das fließt,
seinen Weg findet,
zu neuen Ufern der Liebe
zwischen dir und mir.
- S. Demmel, April 2016
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